Das Hochzeitsessen Das Hochzeitsessen | Roman
104 Seiten, Taschenbuchausgabe, überarbeitet und neu verlegt
ISBN 978-3-943324-91-4
Herausgeberin: Christl Kiener
KIENER VERLAG München


»Wenn man erst einmal zusammen an einem Tisch gesessen und gemeinsam gegessen hat, kann man kein Feind mehr sein.« Arabische Weisheit.

Die Erzählung beginnt verführerisch: Eine Frau kocht ein mehrgängiges arabisches Gericht. In ihrem Monolog, durchwoben von der höchst sinnlichen Beschreibung der Essenszubereitung, entfaltet sich ein komplexes Beziehungsgeflecht zwischen verschiedenen Erzählebenen. Ihre Geschichten lassen den Bezug zu konkreten politischen Ereignissen erahnen. Die Themen Ihre Geschichten lassen den Bezug zu konkreten politischen Ereignissen erahnen. Die Themen sind ebenso alt wie aktuell:
Vertreibung aus der Heimat, Verlust der Familie oder des Lebens, die Schwierigkeiten des Neubeginns, vereinende Hochzeiten und Versöhnung.

Die Erzählung wurde vor den jüngsten politischen Entwicklungen fertiggestellt. Der Titel „Das Hochzeitsessen“ und die Beschreibung der einzelnen Gänge eines Mahls deuten bereits eine Versöhnungsrunde am großen Tisch an.




Leseprobe:

Als der Großvater am frühen Morgen vom Anmarsch der Feinde im Radio hörte, glaubte er, es wäre eine der Propaganda-Angstmach-Meldungen, die es täglich von allen Seiten gab und hatte überhaupt keine Angst, auf seine Felder zu gehen, um zu sehen, wie seine Saat wuchs. Er hatte auch keine Angst, als der Fluglärm stärker wurde, er nahm es hin. Es gab täglich Manöver, mal mehr, mal weniger.
Er war ein alter Mann. Er hatte die letzten Jahre der osmanischen Herrschaft miterlebt, die viele 100 Jahre andauerte. Er hatte dreißig Jahre das Englische ertragen. Er hatte vieles mitangesehen. Er wusste, dass man vieles ertragen konnte, auch wenn es unerträglich war. Er kannte die Vergänglichkeit. Doch keiner der Fremden hatte je das Land angerührt. Das Volk musste Tribute leisten, es wurde ausgebeutet, aber das Land, das Haus, die Würde waren unantastbar geblieben. Der Großvater wusste es von Anfang an. Wer kommt und Häuser baut und Bäume pflanzt, will bleiben. Das wusste der alte Mann. Er hatte die Feinde noch als Freunde begrüßt. Er hatte lernen müssen. Er war auf der Hut.