Das Hochzeitsessen 1996 - Das Hochzeitsessen | Roman
90 Seiten, Taschenbuchausgabe
3-596-12649-5
Herausgeberin: Ingeborg Mues
Fischer Taschenbuch Verlag


»Wenn man erst einmal zusammen an einem Tisch gesessen und gemeinsam gegessen hat, kann man kein Feind mehr sein.« Arabisches Sprichwort

Die Erzählung beginnt verführerisch. Eine Frau bereitet ein köstliches, orientalisches Mahl zu und erzählt dabei mit spannenden und sinnlichen Bildern Geschichten, die den Leser in die Welt des Orients führen. Gleichzeitig ist »Das Hochzeitsessen« ein Text, der zeitgeschichtliche Ereignisse auf mehreren Ebenen literarisiert, so daß ein einprägsames Panorama palästinensischen Lebens in den besetzten Gebieten und im Exil entsteht.





Leseprobe:

Als der Großvater am frühen Morgen vom Anmarsch der Feinde im Radio hörte, glaubte er, es wäre eine der Propaganda-Angstmach-Meldungen, die es täglich von allen Seiten gab und hatte überhaupt keine Angst, auf seine Felder zu gehen, um zu sehen, wie seine Saat wuchs. Er hatte auch keine Angst, als der Fluglärm stärker wurde, er nahm es hin. Es gab täglich Manöver, mal mehr, mal weniger.
Er war ein alter Mann. Er hatte die letzten Jahre der osmanischen Herrschaft miterlebt, die viele 100 Jahre andauerte. Er hatte dreißig Jahre das Englische ertragen. Er hatte vieles mitangesehen. Er wusste, dass man vieles ertragen konnte, auch wenn es unerträglich war. Er kannte die Vergänglichkeit. Doch keiner der Fremden hatte je das Land angerührt. Das Volk musste Tribute leisten, es wurde ausgebeutet, aber das Land, das Haus, die Würde waren unantastbar geblieben. Der Großvater wusste es von Anfang an. Wer kommt und Häuser baut und Bäume pflanzt, will bleiben. Das wusste der alte Mann. Er hatte die Feinde noch als Freunde begrüßt. Er hatte lernen müssen. Er war auf der Hut.